Montag, 6. Oktober 2008

Entdecker und Verwalter

Bei zahlreichen Philosophen finden wir kritische Aussagen zum Habitus des Gelehrten. Hier ein entsprechendes Zitat aus Francis Bacons Novo Organum:
In den Gebräuchen und Einrichtungen der Schulen, Akademien, Kollegien und ähnlichen Institutionen, an denen Gelehrte ihre Lehrstühle haben und die Bildung kultiviert werden soll, zeigt sich alles dem Forschritt der Wissenschaft entgegengesetzt. Die Vorlesungen und Übungen sind so angeordnet, dass Gedanken außerhalb des Gewohnten keinem leicht in den Sinn kommen. Wenn aber der eine oder andere sich die Freiheit des Urteils nimmt, dann ist er ganz auf sich gestellt und hat von seinen Kommilitonen keine Hilfe. wenn er dies aushält, dann wird er in seinem Fleiß und seinem Großmut schwere Behinderungen seines weiteren Schicksals erfahren. Er wird als Aufrührer und als auf Neuigkeiten Versessener verachtet werden.
(N.O. I, Aph. 90)
Nun kann es keinen Zweifel an der Richtigkeit von Bacons Urteil zu seiner Zeit geben. Doch gilt dies heute in gleichem Maße? Der Unterricht an den Universitäten heute, am "Ende des Bacon'schen Zeitalters", setzt sich radikal von seinem historischen Vorläufer an der spätmittelalterlichen Universität ab. Heute dominiert in den Naturwissenschaften (noch) der Fortschrittsgedanke und in den Seminaren der Geisteswissenschaften wird in den meisten Fällen rege diskutiert.

Dennoch bleibt eine Restunsicherheit: Könnte es nicht sein, dass die Universität als Institution auch heute noch eher den Verwalter-Typus denn den Entdecker-/Revolutionär-Typus schätzt? Sind Professoren doch Lehr-Beamte, also Verwalter der staatlichen anerkannten Meinung und zu deren Erhalt, Pflege und Fortentwicklung eingestellt. Entdecker und Revolutionäre, so wichtig sie für die Entwicklung der Wissenschaften und der Philosophie in der Vergangenheit stets waren, stellen doch in erster Linie eine Bedrohung für das bestehende System, sowohl des abstrakten Wissensgebäudes wie auch der konkreten Person der Kollgen, dar.

Aus diesem Grund sollte sich niemand, der eine neue Sicht der Dinge entwickeln möchte, auf die Universität als sicheres Milieu verlassen. Bleibe unabhängig! In einem normalen Brotberuf wirst du deine Kraft vergeuden, doch dein Geist bleibt ungebeugt. An der Universität droht die Korruption des Geistes aufgrund des (natürlichen und verständlichen) Strebens nach Lob, Anerkennung und Erfolg. Denn der Professor lobt nur den, der nach ihm kommt - in beiderlei Sinn.

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