Mittwoch, 17. September 2014

8-Bit Philosophy - Episode 1: What is Real? (Plato)

Es ist immer wieder erfreulich, zeitgeistgerechte Darstellungen philosophischer Gedanken zu entdecken. Leider ein allzu seltenes Vergnügen. Der Serie der 8-bit-Philosophy ist dies jedoch grandios gelungen.



Das platonische Höhlengleichnis ist freilich bereits hinlänglich bekannt und daher nurmehr in der audiovisuellen Umsetzung originell. Die weiteren Folgen dagegen thematisieren auch weniger geläufige Gedanken. Sehr erfreulich!

Freitag, 20. Juni 2014

Der Gehalt nackter Kunst

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Eine junge, attraktive Frau steigt frühmorgens mit den übrigen Passanten in die Straßenbahn. Sie ist nackt. Außer einer Brille, halbhohen Damenschuhen und einer größeren Handtasche trägt sie nichts. Auf ihrem Körper stehen mit dicken Lettern die Worte SLIP, BRA, SHIRT, JACKET, PANTS geschrieben. Ihre langen braunen Haare sind zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.

Die Performance-Aktion der Künstlerin Milo Moiré trägt den Titel "The Script System". Auf ihrer Homepage erklärt sie die Performance mit Verweis auf das automatenhafte Verhalten der meist noch müden Menschen am frühen Morgen. Die "radikale Nacktheit" der Künstlerin würde dabei "zum Abwehrschild gegen das Stereotype" und mache sie "paradoxerweise zur Unsichtbaren."

In der ersten Anschauung hat diese Kunstaktion wenig radikales Potenzial. Eine junge Frau läuft nackt herum - das ist in der Kunstwelt wahrlich nichts Neues. Das "Tapp- und Tast-Kino" Valie Exports (1968-71) mutet da weitaus revolutionärer an, oder auch die Masturbationsperformance, die Charles Gatewood 1970 mit einem Modell inszenierte.

Freilich: Kunst und Künstler müssen sich entwickeln dürfen. Und manche Performancekunst vollzieht sich eben im öffentlichen Raum. Auch Leonardo bedurfte der Übung, und füllte zahllose Blätter, bevor er sich an die Mona Lisa setzte. Entsprechend wäre es ungerecht, jede öffentliche Kunstaktion gleich mit dem Maßstab unsterblicher Werke zu bewerten.

Doch lässt man sich auf die Kunst-Etüde Moirés ein, öffnet sich unversehends doch eine interessante, von der Künstlerin vielleicht gar nicht intendierte Interpretationsebene.

Denn was geschieht hier tatsächlich? Eine junge Frau nutzt nackt am frühen Morgen den öffentlichen Nahverkehr. Die Menschen betrachten sie allem Anschein nach nicht. Eher kann man vermuten, dass sie verlegen wegschauen. Der Nackten folgt eine Kamera - und mit dem allzu offenkundigen Betrachten des entblößten Körpers setzt man sich der Gefahr aus, selbst ins Blickfeld zu geraten. Also schaut man weg, und hofft, dies schütze vor Vereinnahmung in die Kunstaktion. Der proklamierte Schutzschild läge damit nicht bei der Künstlerin - sondern den (vermeintlichen) Nicht-Be(tr)achtern.

Denn der nackte Körper in der Alltagsöffentlichkeit ist stets auch Ausdruck einer Aggression. Mutwillig übertritt der/die Nackte die Schranken der gesellschaftlichen Norm und bringt damit seine/ihre diesbezügliche Geringschätzung zum Ausdruck. Für eine junge, gutaussehende Frau gilt dies freilich im geringeren Maße als für einen Mann. Dessen nackter Körper wird im Zweifelsfall aufgrund des unterstellten höhren Gewaltpotenzials eher als anstößig erlebt, und damit - zumindest steht das zu vermuten - schneller zum Objekt polizeilicher Repression, als der weibliche.

In der Duldsamkeit gegenüber der Performance zeigt sich also einerseits die Bereitschaft, Kunst gewähren zu lassen, solange sie einen nicht unerwünscht mit einbezieht. Jeder nach seiner Façon eben. Die Reaktion der Passanten sagt mehr über den erfreulich toleranten Zustand unserer Zeit, als über den - fragwürdigen - künstlerischen Gehalt der Aktion.