Sonntag, 23. Mai 2010

"Hacker in Government" - wirklich wünschenswert?

Auf der SIGINT10 (Köln, 22.-24.05.2010) hielt Nick Farr einen Vortrag, in dem er die Vorteile diskutierte, die sich seiner Ansicht nach ergeben würden, wenn "Hacker" die politische Arbeit übernähmen.

Dabei geht bereits die Grundvoraussetzung fehl: Während Programmierer (hier: Hacker als besonders befähigte Programmierer) dem System außen vor stehen, also nicht ein Bestandteil desselben darstellen, gilt dies für Politiker keineswegs. Sie sind inhärente Elemente des politischen Systems und damit unmittelbar von den Änderungen am System betroffen. Das mag einer der Gründe sein, die zu dem wohlbekannten, zuweilen wachsweichen "Politikersprech" führen. (Farr sprach von Politikern als Lügnern, die höfliche Lügen erzählen, während seiner Ansicht nach Hacker eher unhöfliche Wahrheiten sagen...)

Ein Programmierer kann bspw., da er nicht integraler Bestandteil des von ihm betrachteten Systems ist, dieses gemäß seinen Möglichkeiten bearbeiten, testen, ändern, testweise zum Absturz bringen, um daraus Schlüsse über zugrundeliegende Fehler zu ziehen usw. Er selbst wird von den Auswirkungen dieser Tests nicht beeinflusst. Stürzt das Programm ab, kann er den Code abändern und den Test erneut starten. Politiker dagegen unterliegen unmittelbar den Auswirkungen ihrer Handlungen. So zeitigen radikale politische Entscheidungen zuweilen radikale gesellschaftliche Reaktionen, was im besten Fall zu einer "Abwahl" des entsprechenden Politikers führt. Zieht man die Parallele zum Programmierer, würde nach einem fehlerhaften Programmtest nicht (nur) dieses abstürzen, sondern auch der Programmierer... ;-)

Ein weiterer Kritikpunkt ergibt sich aus der fundamentalen Differenz der jeweiligen Systemkomponenten (Software hier, Gesellschaft/bürokratischer Apparat da). Hard- und Softwarekomponenten, Programmelemente/Funktionen/Subroutinen usw. besitzen keine eigenen Intentionen; sie lassen sich problemlos ändern und ggf. löschen. Mitarbeiter von Behörden und des politischen Betriebs hingegen reagieren eigenständig (und zuweilen unvorhersehbar); sie können nicht beliebig manipuliert werden. Das gilt im übrigen auch für die Institutionen/Behördenbereiche, die von den jeweiligen Mitarbeitern konstituiert werden. Solche Systeme sind nur sehr bedingt beeinflussbar. So können bspw. Weisungen anders ausgelegt werden, als vom Ersteller intendiert, Arbeitsaufträge lassen sich beliebig verschleppen (mag man als Antragsteller auf dem "Amt" auch schon mal erlebt haben), oder man ist schlicht "nicht zuständig".

Bereits diese beiden Punkte sollten zu einiger Skepsis hinsichtlich der Überlegung führen, politische Arbeit mit Methoden das Programmierens (hier gemeint: des Hackens) zu leisten. Ein Hörer des Vortrags gab darüber hinaus in der Diskussion zu bedenken, dass sich Hacker oftmals nicht recht erklären könnten (insb. gegenüber Nicht-Hackern). Politische Arbeit ist jedoch gerade zu einem hohen Teil „Verkaufstätigkeit“ (gegenüber wem auch immer). Dass Programmierer dagegen vielleicht nicht immer die erste Wahl für den Verkauf sind, zeigt sich auch darin, dass Entwicklung und Vertrieb in Softwarefirmen meist von separaten Abteilungen durchgeführt werden.

Das alles spricht natürlich überhaupt nicht gegen eine politische Betätigung von Programmierern/Hackern! Davon lebt Demokratie!! Die obige Anmerkung soll nur davor warnen, allzu unbedarft die Mentalität des Hackertums ins politische Geschäft übertragen zu wollen. Wobei natürlich gegen die Grundintention Farrs, nämlich nur dann Entscheidungen zu treffen, wenn man eine Sachverhalt wirklich durch und durch verstanden hat, nun wirklich überhaupt nichts einzuwenden ist.